Bundesrat hat Zeichen der Zeit nicht erkannt

17.06.2016

Enttäuschender Bericht zum Service Public 

Nach der RTVG-Abstimmung vom Juni 2015 versprachen Bundesrat und SRG, zum Thema „Service public“ werde nun eine offene Debatte ohne Tabus geführt. Wer auf eine breite Auslegeordnung hoffte, sieht sich heute bitter enttäuscht: Der gross angekündigte „Service public“-Bericht des Bundesrats ist unvollständig. Er fokussiert einseitig auf die Erhaltung des Status quo und das weitere Vordringen der SRG in private Märkte. Die Tatsache, dass die Digitalisierung zu mehr Medienvielfalt führt, muss zu einem Abbau der staatlichen Leistungen führen – und nicht etwa zu einem Ausbau, wie von der Landesregierung gefordert.

Bundesrätin Leuthard versprach, bei der Diskussion über den „Service public“ werde es „kein Tabu geben“ (Basler Zeitung vom 15.6.2015). Entgegen diesem Versprechen sieht sich die Schweiz heute mit einem Bericht konfrontiert, der den Status quo zementieren und die staatlichen Leistungen gar noch ausbauen möchte. Kurzum: Das bundesrätliche Papier gibt kaum Neues her.

Im vergangenen Jahr bekämpfte der Bundesrat die (vom Nationalrat überwiesene) Motion 15.4032 von Natalie Rickli mit dem Argument, der Bericht werde nicht lückenhaft ausfallen (Nationalratsdebatte vom 16.12.2015).

Nun zeigt sich: Etliche hängige Vorstösse und offene Fragen wurden nicht geprüft:

  • Christian Wasserfallen will das Subsidiaritätsprinzip stärken (Po. 15.3618). Im Bericht aber bleiben Leistungen privater Medienunternehmen weitgehend unerwähnt. Es wurde nicht analysiert, welche Leistungen Private erbringen könnten, wenn es die SRG nicht mehr tun würde (vgl. hierzu die Studie „Service privé“ der Universität St. Gallen, November 2015). Der Bundesrat erkennt zwar, dass die SRG sich künftig besser von kommerziellen Anbietern unterscheiden muss (Art. 3 SRG-Konzession). Gerade im Unterhaltungsbereich ist die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips entscheidend für Medienvielfalt und den Erfolg privater Medien. Auch im Sportbereich wäre mehr Wettbewerb möglich, wie aktuelle Beispiele zeigen.

  • Marco Romano fordert eine Beschränkung des Online-Angebots (Po. 15.3769). Der Bundesrat aber lehnt die Beschränkung auf eine Audio- bzw. Videothek ab und will das Online-Angebot der SRG sogar noch ausbauen. Darüber hinaus sollen private Online- Anbieter staatlich gefördert werden, obwohl der Markt in diesem Bereich floriert und die Angebotsvielfalt beachtlich ist. Dass der Bundesrat das Online-Werbeverbot der SRG nur vorerst beibehalten und schon 2018 wieder prüfen will, ist ein Affront für die Verleger und weitere private Anbieter.

  • Statt einer Plafonierung der Gebührenerträge auf dem Stand von 2011 (Botschaft RTVG), wie dies Thomas Maier (Martin Bäumle) fordert (Mo. 15.3747), strebt der Bundesrat eine Plafonierung auf dem klar höheren Stand von 2018 an.

  •  Eine Reduktion der Gebühren und die Prüfung von Budgetvarianten für die Erbringung des „Service public“, wie dies Natalie Rickli fordert (Po. 15.3636), wurde nicht einmal geprüft.

In der „Service public“-Debatte geht es darum, welche Leistungen der Staat zwingend erbringen muss und welche Private nicht anbieten können oder anbieten wollen. Vor diesem Hintergrund ist zwischen dem Bereich des „Service public“ (mit gebührenfinanzierten Sendern) und dem wettbewerblichen Bereich (mit privaten Anbietern) zu unterscheiden. Die Leistungen der SRG auszubauen, damit sich diese „im Fernsehbereich und im Internet“ gegen- über „ausländischen Angeboten behaupten und konkurrenzfähig“ sein kann, wie dies der Bundesrat in seinem Bericht schreibt, ist absurd – und widerspricht dem „Service public“- Gedanken.

Um Medienvielfalt zu ermöglichen und den „Service public“ in seinem Kernbereich zu stärken, sind obige Forderungen umzusetzen. Ebenso sind bereits formulierte Anliegen wie die Einstellung der Spartensender (Radio) sowie der dritten Senderketten an die Hand zu nehmen. In diesem Zusammenhang können auch Privatisierungen geprüft werden (z.B. SRF 3). Ebenso sind die Gebühren an die Komplementärradios zu streichen.

Die Aktion Medienfreiheit wird entsprechende Anträge im Parlament einbringen.

Um die Entscheidungen des Parlaments bezüglich „Service public“-Auftrags berücksichtigen zu können, ist es zwingend, die SRG-Konzession nur für ein Jahr zu verlängern, wie dies der Bundesrat treffend vorschlägt. Zwei weitere Parlamentarische Initiativen aus dem Kreise der Aktion Medienfreiheit sind derzeit in der KVF-N hängig:

  • Thomas Müller fordert, dass künftig das Parlament für die Erteilung der SRG-Konzession zuständig ist (Pa.Iv. 15.457).

  • Gregor Rutz fordert eine Einschränkung der nicht konzessionierten Tätigkeiten, um weitere Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und zu gewährleisten, dass sich die SRG auf ihren Kernauftrag konzentriert (Pa. Iv. 15.495).

    Nun stehen auch die privaten Medien in der Verantwortung: Sie müssen der Politik darlegen, dass sie keine staatliche Onlineförderung und eine Deregulierung wünschen. Nur dann lassen sich im Parlament Mehrheiten für eine liberale Medienpolitik finden. 


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